Der Überfall

»Eine Frau läuft spätabends eine Straße in Berlin entlang. Es ist kurz nach 23 Uhr, eben war sie noch mit einer Freundin beim Italiener um die Ecke.

Es war ein heiterer Abend, zum ersten Mal konnte man draußen sitzen nach dem harten Winter. Frühling liegt in der Luft, es ist der 29. April 2010. Auch woanders sitzen Gäste draußen, man hört ab und zu ein Lachen in der Nacht.

Die Frau läuft entschlossen den Gehweg entlang, sie kennt die Straße gut, es ist der Schulweg ihrer Tochter, der Weg zum Kindergarten ihres Sohnes. Dies ist ihr Viertel, Wilmersdorf, hier lebt sie seit über zehn Jahren.

Ihre Schritte sind gut zu hören, die neuen Stiefel haben laute Absätze, der Klang gibt Sicherheit.

Die Frau beeilt sich, sie ist ein bisschen spät dran, um elf Uhr wollte sie zu Hause sein, der Babysitter wartet. Schnell auf die andere Straßenseite, die ist zwar etwas dunkler, aber was soll schon passieren in diesem bürgerlichen Wohnviertel.

Plötzlich hört sie dicht hinter sich zwei Männerstimmen.

Sofort scannt sie die Stimmen, wie es jede Frau tun würde. Der erste Eindruck ist beruhigend, die Stimmen sind jung, unauffällig.

Zwei junge Männer, unterwegs zu einer Party, denkt sie.

Im nächsten Moment springt der innere Alarm an. Die überholen mich nicht, die kleben dicht hinter mir. Etwas stimmt hier nicht. Ich muss hier weg, ich muss schneller laufen.

Das Letzte, was sie sieht, sind ihre Stiefelspitzen. Füße, die versuchen, zu entkommen.

Hier reißt die Erinnerung ab. …«

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Am 29. April 2010 wurde die Journalistin und Schriftstellerin Susanne Leinemann in Berlin-Wilmersdorf von mehreren jugendlichen Tätern überfallen und lebensgefährlich verletzt. Für ihre Reportage im Magazin der ZEIT wurde sie 2011 mit dem Sonderpreis des Henri-Nannen-Preises ausgezeichnet. Zwei der Täter wurden im Dezember 2010 für eine weitere Straftat verurteilt.

ZDF-Video: »Markus Lanz« vom 22. September 2011, Susanne Leinemann im Interview, ab [53:18].

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