Seit einiger Zeit ist ein Text von Anatol Stefanowitsch im Netz zu lesen, den ich in seiner durch die Fakten nicht gestützten Grundaussage für so irreführend halte, dass ich ihn nicht unkommentiert lassen möchte.
Er ist überschrieben mit
Sagt ihnen nicht, dass sie sich hätten wehren sollen
(Der Übersichtlichkeit halber schreibe ich meine Kommentare zwischen die einzelnen Passagen des Textes [→ Original], den ich im Folgenden vollständig zitiere. Ich beschränke mich in meinen Kommentaren dabei aufs Wesentliche. Und wenn ich Autor sage, dann ist das wertschätzend gemeint.)
Die Handlungsanweisung in der Überschrift richtet sich vermutlich an uns alle.
Die Frauen, über die hier gesprochen wird, müssen (das ist die Vorannahme einer solchen Aussage) in der Vergangenheit etwas erlebt haben, gegen das sie sich hätten wehren können. Das haben sie nicht getan.
Es gibt verschiedene gute Gründe, einem Menschen, der in der Vergangenheit etwas Bestimmtes nicht getan hat, nicht zu sagen, er hätte es aber tun sollen. Hier also: d’accord.
Die Aussagen des nun folgenden Textes und die sich daraus ergebenen Empfehlungen, die der Autor gibt, beziehen sich ausnahmslos nicht mehr auf die Vergangenheit. Die, wie wir wissen, immer auch schon vorbei ist.
Seit einiger Zeit kursiert ein Text im Internet, der anhand einer Analogie versucht, die schreckliche und unmenschliche Absurdität der Reaktionen deutlich zu machen, mit denen Frauen konfrontiert sind, wenn sie eine Vergewaltigung anzeigen. Ein Mann meldet einen Straßenraub bei der Polizei, und der folgende Dialog entspinnt sich (eigene Übersetzung, das vermutliche Original ist hier):
Mann: Ich möchte einen Straßenraub melden.
Polizist: Einen Raub, ja? Wo hat der stattgefunden?
Mann: Ich war gerade an der Ecke 21ste und Dundrich Street als ein Mann eine Pistole auf mich richtete und sagte, „Gib mir all dein Geld.“
Polizist: Und, haben Sie das getan?
Mann: Ja, ich habe mich kooperativ verhalten.
Polizist: Sie haben ihm also bereitwillig Ihr Geld gegeben, ohne sich zu wehren, um Hilfe zu rufen oder wegzulaufen?
Mann: Ja, aber ich hatte Angst. Ich dachte, er würde mich töten.
Polizist: Mhm. Aber Sie haben mit ihm kooperiert. Und wie ich höre, sind sie ein ziemlich wohltätiger Mensch.
Mann: Ich spende Geld für gute Zwecke, ja.
Polizist: Sie geben anderen also gerne ihr Geld. Sie geben anderen gewohnheitsmäßig ihr Geld.
Mann: Was hat das mit dieser Situation zu tun?
Polizist: Sie sind wissentlich in Ihrem Anzug die Dundritch Street entlanggelaufen, obwohl jeder weiß, dass Sie ihr Geld gerne hergeben, und dann haben Sie sich nicht gewehrt. Es klingt für mich, als ob Sie Ihr Geld freiwillig hergegeben haben, und jetzt bereuen Sie Ihre Spende nachträglich. Wollen Sie wirklich das Leben dieses Mannes ruinieren, weil SIE einen Fehler gemacht haben?An diesen Dialog musste während der #Aufschrei-Aktion immer wieder denken, wenn Stimmen sich zu Wort meldeten, die die Lösung für Alltagssexismus, sexualisierte Belästigungen und sexualisierte Übergriffe darin sehen, dass die Frauen eben lernen müssten, selbstbewusst zu reagieren, darauf hinzuweisen, wenn ihre Grenzen überschritten würden, sich allgemein verbal oder körperlich zur Wehr zu setzen. Oder Stimmen, die den Frauen rieten, Verhaltensweisen oder Situationen, die zu Übergriffen einladen könnten, zu meiden.
Der Autor wirft hier, ohne weiter zu differenzieren, Alltagssexismus und sexualisierte körperliche Gewalt (dazu gehört auch die oben angesprochene Vergewaltigung) in den einen großen Topf.
Ich halte das für außerordentlich problematisch. Weil es den Blick auf die Lösungen verstellt.
Die Polizei rät offiziell tatsächlich nicht einmal bei Handtaschenraub — geschweige denn bei sexueller Nötigung oder Vergewaltigung — zur Gegenwehr (dass im konkreten Fall Polizist/innen etwas anderes sagen oder suggerieren oder dass Gerichte es anders bewerten, steht auf einem anderen Blatt). Beim Straßenraub gibt die Polizei folgenden, sehr weisen Rat:
Leisten Sie Widerstand nur dann, wenn Sie sich dem Täter gegenüber körperlich überlegen fühlen und eine reelle Erfolgsaussicht besteht. Gerade als älterer Mensch könnten Ihnen bei aktiver Gegenwehr durch massive Gewaltanwendung oder durch einen Sturz erhebliche Gesundheitsschäden drohen.
Stattdessen gibt die Polizei ausführliche Tipps, wie das Risiko von Raubüberfällen minimiert werden könne, z.B. indem wir kein Bargeld bei uns tragen, uns nur in der Nähe anderer Menschen aufhalten und uns nicht erkennbar alkoholisiert in der Öffentlichkeit bewegen.Bei Sexualdelikten beschränkt sie sich gleich auf Tipps für das richtige Verhalten nach der Tat.. Und mit gutem Grund: Gegenwehr kann im Einzelfall sicher auch Mal zum Erfolg führen (beim #Aufschrei haben Frauen immer wieder berichtet, dass sie sich durch verbale oder körperliche Gegenwehr knapp aus gewalttätigen Situationen befreien konnten), aber sie kann genauso häufig (oder häufiger) dazu führen, dass eine ohnehin schon schlimme Situation noch viel schlimmer wird (auch das haben Frauen zur Genüge berichtet).
Die Polizei sagt auch nichts darüber, wie das Risiko eines sexuellen Übergriffs zu minimieren sei. Auch das aus gutem Grund: Keins der Patentrezepte, das Laien gerne anbieten — züchtige Kleidung, Meiden einsamer Orte usw. — scheint einen nennenswerten Einfluss auf das Risiko zu haben, von sexuellen Übergriffen betroffen zu werden.
Ist das wahr?
Tatsächlich hat die Polizei Frauen für den Fall sexualisierter Gewalt lange Zeit geraten, sich nicht zu wehren und still zu halten, damit nicht »noch Schlimmeres passiere«.
Heute rät die Polizei den Frauen − wer es nicht weiß, dem sei es jetzt schon verraten −, sich konsequent zu wehren.
Der Vergleich mit einem Handtaschenraub, vor allem aber die Formulierung »geschweige denn bei sexueller Nötigung oder Vergewaltigung« macht deutlich, dass der Autor nicht wirklich weiß, wovon er spricht.
Man mag den verantwortlichen Stellen zugute halten, dass es abgesicherter Studien bedurfte, um mit gutem Recht offizielle Empfehlungen auszusprechen. Heute liegen diese Studien vor.
Ich will mich – um meine Argumentation übersichtlich zu halten – auf eine Studie beschränken. Weitere Studien unterscheiden sich im Ergebnis kaum.
In diesen Studien geht es um die Frage, was geschieht, wenn eine Frau sich im Kontext sexualisierter Gewalt (Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen) wehrt oder aber es unterlässt.
Es ist die entscheidende Frage, die es zu klären gilt, bevor man eine Handlungsempfehlung gibt.
Ich beziehe mich hier auf eine Studie der Kriminalpolizei Hannover, bei der das Gegenwehrverhalten von geschädigten Frauen untersucht wurde.
Paul, Susanne (1996): Studie der Polizeidirektion Hannover zum Gegenwehrverhalten bei Sexualstraftaten für die Jahre 1991-1994, interne Studie.
Untersucht wurden 522 Fälle.
- Keine Gegenwehr leisteten 33 % der Frauen. In 74 % der Fälle kam es zur Durchführung der Tat.
- Leichte Gegenwehr leisteten 40 % der Frauen. In 36 % der Fälle kam es zur Durchführung der Tat.
- Massive Gegenwehr leisteten 27 % der Frauen. In 15 % der Fälle kam es zur Durchführung der Tat.
- In einem Fall eskalierte die Gewalt (der Täter war der Frau bekannt), in zwei weiteren Fällen wurde der Täter zunächst gewalttätiger und brach dann, nach vermehrter Gegenwehr, die Tat ab.
(In 26 % der Fälle wurde die Tat ohne ersichtlichen Grund abgebrochen oder weil unbeteiligte Dritte vorbeikamen.)
(In 64 % der Fälle wurde die Tat abgebrochen.)
(In 84 % der Fälle wurde die Tat abgebrochen. Zahlen gerundet.)
Gegenwehrdefinition
Leichte Gegenwehr: Zögerlicher, eher passiver Einsatz von Stimme, Armen, Beinen, Werkzeugen oder dem gesamten Körper.
Massive Gegenwehr: Energischer Einsatz der Stimme, Schlagen, Beißen, Kratzen, Treten.
Mit massiver Gegenwehr sind hier wohlgemerkt noch keine Maßnahmen gemeint, die man in Selbstverteidigungskursen oder Notwehrseminaren lernen mag, sondern ganz unspezifisches Sich-Wehren!
Wer sagt, dass Frauen lernen müssen, sich zu wehren, erwartet von Frauen nicht nur, dass sie in einer Situation, in der die meisten Menschen (Männer und Frauen) mit lähmender Angst zu kämpfen hätten, ruhig genug bleiben, um wegzulaufen und/oder körperliche Gegenwehr zu leisten, sondern auch, dass sie geistesgegenwärtig genug bleiben, um korrekt einzuschätzen, ob Gegenwehr oder Kooperation die bessere Strategie sind.
In einer Notwehrsituation ist konsequente Gegenwehr, wie die Zahlen deutlich zeigen, die angemessene Strategie. Dies gilt es im Vorhinein, also jetzt, korrekt einzuschätzen. Vorgetäuschte Kooperation mag da manchmal ein sinnvoller erster Schritt konsequenter Gegenwehr sein. Wer aber der Empfehlung folgt, sich nicht zu wehren, verschätzt sich.
Es geht gar nicht darum, dass Frauen lernen müssen, sich zu wehren.
Es geht darum, dass sie es tun.
Es geht auch nicht darum, dass Frauen Selbstverteidigungskurse besuchen, schon bloßes Sich-Wehren hilft.
Viele Frauen wehren sich nicht, weil sie fälschlicherweise annehmen, dass es besser sei, es nicht zu tun.
Es ist das, was Männer Frauen seit Urzeiten erzählen:
Halte still! Wehr dich nicht! Du machst es nur noch schlimmer!
Wer sagt, dass sie Situationen meiden sollen, die zu sexuellen Übergriffen einladen, erwartet, dass sie sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, denn Situationen, in denen es nicht zu sexualisierten körperlichen Übergriffen kommen kann, sind äußerst selten.
Das ist sehr wahr. Und es gibt bedauerlicherweise so unendlich viele Frauen, die aus Angst vor sexualisierten körperlichen Übergriffen ein sehr eingeschränktes Leben führen.
Und bei allem Verständnis für vereinfachtes und weltfremdes Denken, diese Erwartungen an Frauen sind tief gestört.
Sie sind ein Symptom für eine Einstellung zu sexualisierter Gewalt, die alle Verantwortung weg von den Tätern, weg von möglichen Zeugen, weg von der Gesellschaft schiebt und sie allein den Betroffenen auferlegt.
Es wird in der gegenwärtigen Debatte viel von Schuld und Verantwortung gesprochen.
Der Täter, da gibt es überhaupt kein Vertun, macht sich schuldig und ist verantwortlich für das, was er tut.
Die Frau trifft keine Schuld. Auch da gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Unter den Verhaltensoptionen, die ihr zur Verfügung stehen, ist sie gezwungen zu wählen und muss diese Wahl vor sich selbst verantworten.
Wenn sie sich nach dem Lesen des hier besprochenen Textes in einer Notwehrsituation nicht wehrt, weil sie in gutem Glauben der Empfehlung des Autors folgt (der sich auf anderen Gebieten eine gewisse Reputation erworben hat und dem sie vertraut), dann ist auch er zumindest mitverantwortlich und trägt seinen Anteil an der Schuld.
Auch wenn dies der Frau in der konkreten Situation wenig hilft.
Und das gilt nicht nur dort, wo es um sexualisierte körperliche Gewalt geht, es gilt auch dort, wo es „nur“ um sexualisierte verbale Übergriffe von „ungeschickten Versuchen, mit einer Frau ins Gespräch zu kommen“ über „dumme Spüche“ oder „Herrenwitzchen“ über massive sexualisierte und sexistische Beleidigungen bis zu verbaler Nötigung geht. Und sie ist dort genauso falsch.
Denn meiden können Frauen entsprechende Situationen schon deshalb nicht, weil es keine Situation gibt, in der es nicht zu verbalen Übergriffen kommen könnte. Selbst in den wenigen Situationen, in denen körperliche Übergriffe sehr unwahrscheinlich sind — am hellichten Tag in einem gut besuchten Supermarkt, im Großraumbüro oder im Plenarsaal eines Parlaments — sind Frauen vor verbalen Übergriffen nicht sicher. Sie geschehen beim Einsteigen in einen Bus, am Kantinentisch mit Kollegen, bei der Zigarettenpause zwischen zwei Seminaren, mitten in einem interessanten Gespräch mit jemandem, von dem sie es nie erwartet hätte.
Und wehren können Frauen sich auch hier oft selbst dann nicht, wenn sie geistesgegenwärtig und ruhig genug bleiben, um nicht nur rechtzeitig zu erkennen, dass, sondern auch wie zu reagieren wäre. Denn in „schweren“ Fällen (grobe sexistische Beleidigungen oder verbale Nötigungen) besteht auch hier die sehr reale Gefahr, dass die Situation von einem verbalen zu einem körperlichen Übergriff eskaliert (auch das haben Frauen beim #Aufschrei zur Genüge beschrieben). Und in „leichten“ Fällen („dummen Sprüchen“, „Herrenwitzchen“) führt die Gegenwehr dazu, dass die Frau als diejenige dasteht, die sich sozial falsch verhalten hat, indem sie aus einer „Nichtigkeit“ oder einem „harmlosen Scherz“ eine „große Sache“ macht, indem sie einen doch völlig harmlosen Mann als üblen Sexisten hinstellt, indem sie für alle die doch bis eben so lockere Stimmung verdirbt.
Auch bei verbalen Übergriffen ist es Symptom einer zutiefst sexistischen Gesellschaft, die Verantwortung für diese Situationen den Frauen aufzuerlegen, oder auch nur mit aufzuerlegen.
Der alltägliche Sexismus. Verbale Übergriffe. Und die allgegenwärtige Gefahr der Eskalation. → Kommentar aus wissenschaftlicher Sicht
Dr. Mutti hat sich gefragt, wie sie ihre Töchter „gleichzeitig vorbereiten, sie schützen, sie trösten UND ihnen klarmachen [könnte], dass die bestehenden Verhältnisse nicht einfach zu akzeptiere“ seien. Sie hat keine Antwort, und obwohl ich seit Jahren darüber nachdenke, habe ich auch keine.
Seit Jahren denkt der Autor nach und findet keine Antwort. Auch wenn es ihm darum geht, gleichzeitig vielerlei zu leisten (vorbereiten, schützen, trösten, nicht akzeptieren):
Wie kommt es, dass er hier in diesem Text eine so eindeutige Antwort gibt?
Wir alle können unseren Töchtern Selbstbewusstsein vermitteln. Wir können ihnen beibringen, dass sie anderen ihre Grenzen mitteilen müssen. Wir können sie in Selbstverteidigungskurse für Frauen schicken. Wir können ihnen so gut es geht erklären, wie sie gefährliche Situationen erkennen und vermeiden, auch wenn es bedeutet, dass sie sich nicht so frei bewegen können wie ihre Brüder. Wir können versuchen, ihnen Strategien zum Umgang mit sexualisierten verbalen Übergriffen mitzugeben, die vom de-eskalierenden Darüber-Hinweggehen bis zum expliziten und deutlichen Dagegen-Verwahren reichen.
Aber wir dürfen uns keinen Augenblick lang einbilden, dass wir damit den Sexismus bekämpfe, statt uns ihm zu fügen. Wir dürfen uns keinen Augenblick lang einbilden, dass wir das Leben unserer Töchter damit sicherer oder freier machen. Wir dürfen uns keinen Augenblick lang einbilden, dass wir sie vor der statistischen Unerbittlichkeit schützen können, mit der sie von sexualisierter Gewalt betroffen sein werden.
Sexismus und gewalttätige sexualisierte Übergriffe sind zweierlei. Auch wenn der Sexismus, wie Anne Wizorek in ihrer → Faktensammlung rund um das Hashtag #Aufschrei richtigerweise schreibt, eine entscheidende Rolle dabei spielt, dass es überhaupt erst zu diesen Übergriffen kommen kann.
Den allgegenwärtigen Sexismus zu bekämpfen, ist unser aller Aufgabe und Verpflichtung.
Das Leben unserer Töchter aber (als Vater zweier Töchter, die noch Kinder sind, bleibe ich einmal bei diesem Bild), die mit »statistischer Unerbittlichkeit« von sexualisierter Gewalt betroffen sein werden, machen wir dann »sicherer und freier«, wenn wir sie lehren, wie sie sich in solchen Kontexten, die kein Vater seinen Töchtern wünscht, angemessen verhalten.
Sich nicht zu wehren ist dabei nicht die Antwort auf die Fragen, die der Autor sich seit Jahren stellt.
Wir müssen uns zu jedem Zeitpunkt im Klaren darüber sein, dass sie, wenn die Situation da ist — ob es ein „Herrenwitz“, ein verbales Bedrängen, ein Griff in den Intimbereich oder eine Vergewaltigung ist —, mit ihrer Angst und allen guten Ratschlägen ganz auf sich allein gestellt sein werden. (Auf sich, und bestenfalls auf Menschen, die die Situation zufällig mitbekommen und richtig einschätzen, und die dann vielleicht helfend eingreifen.)
Ja, sie ist auf sich allein gestellt. Auch mit ihrer Angst. Und all den guten Ratschlägen.
Und das einzige, was wir konkret tun können, wird sein, nicht eine Sekunde lang zu denken — geschweige denn, ihnen zu vermitteln —, dass SIE etwas dagegen hätten tun können. Wir alle — Frauen und Männer, aber vor allem wir Männer — müssen dafür kämpfen, dass sexuelle Übergriffigkeit in jeder Form als Verantwortlichkeit des Täters betrachtet wird, und als Verantwortlichkeit einer Gesellschaft, die sich mit den Tätern solidarisiert, die die Handlungen der Täter relativiert, die die Situation der Betroffenen trivialisiert.
Ich wünsche mir für meine Töchter, dass ihnen ihr Vater, → wenn sie erwachsen sind, mehr zu bieten hat als den Verweis auf die Verantwortlichkeit der Gesellschaft und den guten Rat, sich ansonsten »nicht zu wehren«.
Und deshalb möchte ich kein „wehrt euch“ hören, kein „seid einfach selbstbewusster“, und kein „analysiert doch bitte immer erst, ob der Täter es überhaupt böse meint.“
Der Blogpost → »Normal ist das nicht nicht!«, den Maike Hank am 24. Januar 2013 auf kleinerdrei.org veröffentlichte, und der einer der Anlässe für die aktuelle Debatte war, beginnt mit dem Satz:
»Wir haben uns so an sexuelle Übergriffe jeglicher Art im Alltag gewöhnt, dass wir manchmal vergessen, uns dagegen zu wehren.«
Von diesem Satz zu dem Text, zu dem ich mich hier geäußert habe, ist es ein weiter Weg.
Er führt weit zurück in die Zeiten.