Eine schöne und erhellende Übung ist die, sich einmal zu überlegen, unter welchen Umständen bestimmte Techniken nicht funktionieren.
Raumgreifende Tritte etwa funktionieren nicht in engen Räumen und auch nicht, wenn man einen engen Rock oder eine enge Hose trägt. (Ich erinnere mich noch, als in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts manche Jungs in weiten Jogginghosen in die Disco gingen: eine Überdosis Kung-Fu-Filme war in der Regel der Grund für diesen Sieg der Funktion über die Ästhetik.) Raumgreifende und hohe Tritte funktionieren auch eher nicht auf rutschigem Grund.
Der zweite Faustschlag zum Kopf kommt manchmal nicht mehr so gewaltig, weil man sich beim ersten schon die Hand gebrochen hat. (Selbst Mike Tyson musste 1988 diese Erfahrung machen, als er bei einem Straßenkampf mit Mitch Green, einem seiner früheren Gegner im Ring, vergessen hatte, dass Fäuste auf der Straße nicht bandagiert und in dicke Handschuhe gebettet sind.) Schlagen Sie einmal spaßeshalber Ihre geballte Faust gegen die nächste Tür, dann wissen Sie, wie hart ein Schädel ist.
»Tödliche« Schläge oder Tritte auf den Rumpf werden, besonders im Winter, von dicken Jacken weich gefedert.
Zum Thema »Selbstverteidigungs-Waffen«:
Pfefferspray (so man es denn rechtzeitig zur Hand hat) wirkt nur sehr eingeschränkt, wenn starker Wind bläst, der Täter eine Brille trägt oder just seinen Kopf gewandt hat. (Manchmal wirkt Pfefferspray auch erst dann, wenn es die Seite gewechselt hat und sich plötzlich in den Händen des Täters befindet.)
Ein Messer, das mancher »zur Selbstverteidigung« mit sich führt, funktioniert nur, wenn man es auch tief in den Täter hineinzustoßen vermag. (Vielleicht probieren Sie dies vorher einmal an einem unschuldigen Suppenhuhn aus, bevor Sie das Messer dann doch lieber zu Hause lassen. Und auch hier: Ein Messer funktioniert manchmal erst dann richtig gut, wenn es die Seite gewechselt hat und der Täter es in den Händen hält.)
Notpfeifen und ähnliche hör- oder sichtbare Alarmsysteme, die andere Menschen auf die eigene Notsituation aufmerksam machen sollen, setzen voraus, dass andere Menschen Ihnen auch helfen wollen oder können. Das ist häufig nicht der Fall. Sei es, dass niemand in der Nähe ist, der Ihnen helfen könnte, sei es, dass die, die da sind, genauso hilflos und überfordert sind wie Sie.
Das Wichtigste aber:
Fein- und komplexmotorische Bewegungen (Fine and Complex Motor Skills), die die Grundlage der meisten Kampfkünste und Kampfsportarten bilden, funktionieren im Training und im sportlich fairen Wettkampf wunderbar, in Hochstress-Situationen, in denen Sie Angst um Ihre Gesundheit oder Ihr Leben haben, funktionieren sie nicht.
In solchen Situationen beschränkt der Körper sich − auch wenn Sie jahrelang eifrig die ausgeklügeltsten Bewegungen trainiert haben − aufs Grobmotorische (Gross Motor Skills).
Finden Sie einige weitere Beispiele. Es dürfte Ihnen nicht schwer fallen.
(Denken Sie an: Sprünge, Würfe, Hebel, Schmerz-Kontrolltechniken, Luftwürgegriffe, geheime Energiepunkte etc.)